Geschichte

Baron Franz Joseph Müller von Reichenstein

Das mysteriöse Metallum Problematicum

Als 1781 die Goldausbeute der Golderze der Mariahilf-Grube bei Klein-Schlatten (heute Zlatna, Rumänien) in der Nähe von Siebenbürgen geringer ausfällt als angenommen, sucht der Chemiker Anton von Ruprecht nach den Gründen. Er kommt zu dem Schluss, dass das Gold mit gediegenem Antimon (auch Spiesglaskönig genannt) verbunden sein müsse. Seine Arbeit dazu veröffentlicht er unter dem Titel „Ueber den siebenbürgischen gediegenen Spießglanzkönig und ein neues Nagyager Golderz“.

Da er Zweifel an diesem Ergebnis hegt, untersucht der österreichische Chemiker Baron Franz Joseph Müller von Reichenstein 1782 die Erze der Mine erneut. Zunächst hält Müller von Reichenstein den zusätzlichen Rohstoff für geschwefeltes Wismuth, schließt nach 50 weiteren Experimenten über die folgenden drei Jahre diese Möglichkeit jedoch wieder aus. Unsicher, über die Art des Metalls, das sich in den Erzen verbirgt, nennt er es metallum problematicum beziehungsweise aurum problematicum oder aurum paradoxum. Proben der Erze zusammen mit seine Überlegungen, hier ein neues Halbmetall entdeckt zu haben, schickt Müller von Reichenstein an den schwedischen Mineralogen und Chemiker Torben Olof Bergman. Dieser stirbt jedoch 1784 und damit enden 1785 auch erst einmal die Forschungen zum metallum problematicum.

 

Martin Klaproth und das Tellur

1797 schickt Müller von Reichenstein seine Proben der Erze aus Klein-Schlatten zu dem deutschen Chemiker Martin Heinrich Klaproth. Klaproth nun gelingt es das sogenannte metallum problematicum zu isolieren. Er bestätigt Müller von Reichensteins Vermutung, dass hier ein neues Element vorliegt. In einem Vortrag vom 25. Januar 1798 an der Akademie der Wissenschaften zu Berlin informiert er die Öffentlichkeit über den Fund und nennt Müller von Reichenstein als den Entdecker. Klaproth behält sich jedoch das Privileg vor, das neue Element zu benennen. Er wählt den Namen Tellur nach der Erde (griech. tellus).

Müller von Reichenstein Erzprobe

Klaproth und Kitaibel: Der Plagiatsvorwurf

Klaproths Verkündung löst in Teilen der wissenschaftlichen Welt Empörung aus. Dies hat folgende Gründe: Ohne Kenntnisse von Müller von Reichensteins Entdeckungen hatte 1789 der ungarische Chemiker Paul Kitaibel im ungarischen Bergbauort Nagybörzsöny ebenfalls die Existenz eines unbekannten Halbmetalls im dortigen wasserbleyigen Silber beziehungsweise Wehrlit festgestellt. Auf Anraten von Kollegen hatte er schließlich auch metallum problematicum untersucht und Ähnlichkeiten zwischen den in den Proben befindlichen Metallen gefunden. Ein Manuskript mit Kitaibels Erkenntnisse war 1796 zu Klaproth gelangt.

Martin Heinrich Klaproth

Von einigen wird daher Kitaibel als Entdecker des Telluriums angesehen. Klaproth gerät in den Verdacht sich Kitaibels Erkenntnisse, die ihm schließlich 1796 vorlagen, zu eigen gemacht zu haben. Es folgt ein Briefwechsel zwischen den beiden Wissenschaftlern. In einem Brief vom 2. September 1803 wendet sich Klaproth an Kitaibel und erklärt: „Erst dieser Tagen ist mir von Wielands Neuen Teutschen Merkur das 4. Stück 1803 zu Gesicht gekommen, und finde darin, zu meinem höchsten Erstaunen, unter der Rubrik: Fortgesetzte Nachricht über Ungarns neueste Literatur und Cultur, mich einer an Ihnen begangen haben sollenden Diebstals beschuldigt, nämlich, ich soll Ihnen die Entdeckung des Telluriums geraubt haben!! Sie, theuerster Herr College, werden mit mir einverstanden sein, dass ich zu dieser Beleidigung meiner Ehre und Befleckung meines Charakters durchaus nicht schweigen darf.“

Klaproth beteuert, sich nicht an den Inhalt des Manuskripts mit Kitaibels Aufzeichnungen zum wasserbleyigen Silber, welches er 1796 erhalten hatte, erinnern zu können. „Allein, auf meiner Ehre, und bei allem, was dem rechtschaffenen Manne heilig ist, versichere ich, dass jener Aufsatz nicht den aller mindesten Einfluss auf meine chemischen Versuche mit dem Tellur gehabt hat.“ Klaproth bittet Kitaibel um einen Widerruf. In einem Brief vom 4. Oktober 1803 erklärt er zudem, dass er die Entdeckung des Tellurs nicht für sich beansprucht, sondern Müller von Reichenstein zuschreibt: „Doch ich muss fast vermuten, das meine vollständige Abhandlung über das Tellur Ihnen nicht zu Gesicht gekommen sei. Unmöglich könnten Sie sonst in dem Irrthume sein, als maasste ich mir die Entdeckung an. Mit keiner Silbe habe ich dieses gesagt; vielmehr habe ich ausdrücklich und namentlich erklärt, dass das Verdienst der Entdeckung dem Hrn. Müller v[on] Reichenstein angehöre. Kann man redlicher das Suum cuique beobachten? Da ich mir nun nirgends die Entdeckung zugeeignet habe, so liegt ja klar am Tage, dass ich auch niemanden diese Ehre geraubt haben könne.“

Überzeugt von Klaproths Aufrichtigkeit veröffentlicht Kitaibel noch im Oktober 1803 eine Erklärung, die Klaproth entlastet: „Man gieng aber in den Folgerungen weiter, und schloss aus den angeführten Umständen, dass Herr Klaproth mir die Entdeckung des Tellurs abgeborgt habe, was ich hiemit aus folgenden Gründen für höchst ungerecht und falsch erkläre: Fürs Erste ist Herrn Klaproths unbescholtener Charakter Bürge, dass er, der zur Vermehrung seiner grossen Verdienste und seines ausgebreiteten Ruhms keines so elenden Mittels nöthig hat, keiner solchen Handlung fähig war;[…]“